Wie lange dauert das Nähen? Das ist eine Frage, die man sich bei neuen Projekten nicht unbedingt als erstes stellt. Erst ist da dieser tolle Schnitt oder dieser traumhafte Stoff, den man entdeckt. Manchmal stellt man erst beim Nähen selbst fest, dass das Ganze manchmal ziemlich viel Zeit beansprucht. Doch wieviel Zeit ist eigentlich normal und wie lange kann es beispielsweise dauern, bis ein Kleid fertig genäht ist? Ihr ahnt es vielleicht schon, die Antwort ist gar nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick scheint.
Als es bei Burda noch die Option gab, eigene Kreationen hochzuladen, konnte man dazu angeben, wie lange man für ein Nähprojekt gebraucht hat. Ich fand das enorm wichtig, denn auf diese Weise hat man einen guten Einblick bekommen, wie lang selbst erfahrene Hobby-Näher und -Näherinnen für ein bestimmtes Projekt gebraucht haben.
Warum die Frage „Wie lange dauert das Nähen“ wichtig ist
Wenn man ab und zu für sich selbst oder auch kleine Mitbringsel oder Geschenke näht, mag die Frage „Wie lange dauert das Nähen?“ nicht wichtig erscheinen. Sie hat aber doch in vielerlei Hinsicht Bedeutung, denn es geht nicht nur um die Frage der Zeit, sondern auch um die Frage der Wertigkeit – und zwar der Wertigkeit des Genähten sowie der eigenen Handarbeit.
Ein kleiner Gefallen zwischendurch?
Ist euch das auch schon einmal passiert? Ihr erzählt jemandem davon, dass ihr näht oder gerade mit einem Nähprojekt beschäftigt seid und schon heißt es: „Oh, wie toll, kannst du mir nicht mal schnell meine Gardinen kürzen?“ Oder: „Meine Hose müsste schon lange mal enger gemacht werden. Kannst du nicht mal schnell…?“ oder noch besser: „So ein Kleid wolle ich schon immer haben. Dann kannst du mir ja auch eines nähen!“ Abgesehen davon, dass ich immer gern helfe, wenn Not am Mann ist, lehne ich bei solchen Anfragen grundsätzlich sofort ab. Denn eines ist ganz klar: Er/sie hat definitiv keine Ahnung davon, wie zeitaufwendig das Nähen sein kann. Und neben Vollzeitjob, schulpflichtigem Kind, Sport und Weiterbildung bleibt definitiv keine Zeit, derartige Wünsche zu erfüllen. Denn eines ist auch klar: Es geht in der Regel um die Anfrage, eine Arbeit umsonst für jemanden zu erledigen. Warum ich ablehne? Weil es eben nicht um einen Gefallen geht, sondern darum, dass meine eigene Arbeitszeit nicht wertgeschätzt wird. Und wenn ich dann doch gratis für jemanden nähe, dann lieber für eine Sache, bei der wirklich Bedürftigkeit dahinter steckt. Beispiele sind das Nähen von Herzkissen für Brustkrebspatientinnen oder das Nähen für Frühchen.
Von dem Wert der Zeit
Eine ganz andere Dimension erhält die Frage nach der Zeit fürs Nähen wenn jemand nicht für sich selbst näht, sondern ein Gewerbe betreibt und das Genähte verkauft. Auch hier tauchen immer wieder Fehlvorstellungen davon auf, was Handgefertigtes kosten darf. Es lohnt sich aber nur, wirklich ernsthaft Handmade-Produkte zu verkaufen, wenn beim Preis auch die Zeit einkalkuliert wird, die das Anfertigen benötigt.
Für mich persönlich ist die Zeit außerdem wichtig, weil ich für mich und mein Kind ausschließlich nähe und keine Kleidung kaufe. Wächst der rasant in die Höhe schießende Teenager dann mal wieder innerhalb von einem Monat etliche Zentimeter, ist schnell Nachschub gefordert. Aufwendig Nähprojekte, die viele Stunden oder gar Tage oder Wochen in Anspruch nehmen, müssen dann erst einmal warten. Doch wie lange dauert es denn nun, bis man T-Shirt, Hose oder gar Traumkleid gefertigt hat?
So viel Zeit brauche ich zum Nähen
Hier eine kleine Übersicht über die Zeit, die ich ungefähr brauche:
- T-Shirt aus Jersey nach bewährtem Schnitt: 2 Stunden
- einfache Hose mit Gummibund: 2 Stunden
- einfacher Jerseyrock mit Gummibund: 1 Stunde
- schlichtes Kleid aus Webware nach bewährtem Schnitt mit Reißverschluss: rund 3 Stunden
- Kleid mit mehreren Teilen und Reißverschluss: 4 Stunden
- Bluse mit Knöpfen und Kragen: 6 Stunden
- Boxershorts / Slips 1 Stunde
Bei all diesen Kleidungsstücken entspricht dies der reinen Nähzeit. Die Zeit, die man benötigt, um einen Schnitt zusammenzukleben und zu kopieren, ist nicht mit eingerechnet. Ebenso wenig mit eingerechnet sind Anpassungen, die vielleicht noch vorgenommen müssen. Rechnet man das alles mit, können bei etwas aufwendigeren Schnitten schnell mal ein paar Tage vergehen, bis das Kleidungsstück fertig ist. Und wenn man kein ganzes Wochenende nur zum Nähen hat, kommen schnell ein paar Wochen zusammen.
Hinzu kommt, dass das Nähen ja auch die Besonderheiten ausmacht. So werden aus schlichten T-Shirts mit dem passenden Plot coole Einzelstücke, tolle Labels sorgen für das i-Tüpfelchen und Stickereien wirken besonders edel. Diese wundervollen Besonderheiten sprengen aber häufig den eigentlich vorgesehenen Zeitrahmen. So habe ich es in dieser Woche zum Beispiel geschafft, für eine schlichte Kinder-Bermuda vier statt der vorgesehenen zwei Stunden zu brauchen.
Für Nähfrust sollte das aber nicht sorgen, denn gerade darin, dass die selbst genähte Kleidung mit viel Liebe fürs Detail gefertigt wird, steckt ja auch ihr Reiz. Und wie ihr vielleicht bei der Kleidung entdeckt habt, die ich für den Me-Made-May genäht habe, seht ihr, dass man daran auch viele Jahre Freude haben kann.
Schneller Nähen – geht das?
Wenn es um ein neues und besonderes Nähprojekt geht, lohnt es sich, sich dafür schlichtweg so viel Zeit zu lassen, wie es nun einmal dauert. Wer beim Zuschneiden, Versäubern und Co. schludert oder sich nicht genügend Zeit für Anpassungen lässt, wird letztlich auch nicht viel Freude beim Tragen haben. Doch gerade bei kleineren Alltagsprojekten oder bei Basics kann man schon viel Nähzeit sparen.
Bei mir haben die folgenden Tipps geholfen, schneller zu werden:
- Für Basics wie T-Shirts einen Schnitt so anpassen, dass er perfekt sitzt und dann immer wieder nähen – mit verschiedenen Stoffen lassen sich so allein schon tolle Unikate schaffen.
- Mehrere gleiche Kleidungsstücke, wie zum Beispiel Shirts oder Hosen, auf einmal nähen. Das hat den Vorteil, dass man über dieselben Schritte nicht immer wieder neu nachdenken muss.
- Mehrere Kleidungsstücke mit der gleichen Farbe hintereinander nähen, das spart die Zeit zum Wechseln des Fadens.
- Ordnung in die Schnittmuster bringen – so kann man sich eine ganze Menge Zeit sparen, die schon durch das Suchen vergeht.
- Neue Schnitte kleben/abpauschen, wenn zwischendurch mal Zeit ist, zum Beispiel abends beim Film schauen. Dann hat man ihn direkt parat, wenn man mit dem Nähen beginnen möchte.
- Stoffreste, die beim Nähen entstehen, am besten gleich verarbeiten. So könnt ihr beispielsweise aus Jerseyresten gleich im Anschluss ans Nähen des T-Shirts einen Slip zaubern. Aus Webware-Streifen werden in wenigen Minuten Scrunchies oder süße Täschchen zum Verschenken.
- Stoffreste, die ihr nicht gleich vernäht, in die passende Größe zum Weiterverarbeiten schneiden. Dann habt ihr sie bereits fertig zugeschnitten zur Hand, wenn es soweit ist.
- Ordnung im Nähzubehör halten. So müsst ihr nicht lange nach Nadel, Schere, Handmaß, Schneiderkreide und Co. kramen, wenn ihr sie braucht. Ich bewahre all diese Dinge, die ich wirklich immer benötige, beispielsweise einfach in einer Schale auf, die nach dem Nähen im Schrank verschwindet.
Eine Frage der Motivation
Gerade aufwendige Nähprojekte, die viel Zeit in Anspruch nehmen, können ab und an mal zu einem Nähtief führen. Ich versuche daher, zeitaufwendige und schnelle Nähprojekte miteinander abzuwechseln. Gerade kleine Taschen und Co. sorgen dafür, dass der Stoffrestestapel nicht ins Unendliche wächst und machen auch nach anstrengenden Nähprojekten wieder Lust auf das schönste Hobby der Welt. Das ist zwar kein Tipp zum Zeit sparen, aber zumindest spart ihr euch damit vielleicht lange Nähpausen, in denen eure Stoffschätzchen und eure Nähmaschine vor sich hin stauben.
Habt ihr noch Tipps parat, wie man Zeit beim Nähen sparen kann? Wie geht es euch mit der Zeit, die ihr zum Nähen braucht? Ist euch das Thema wichtig oder schaut ihr beim Nähen gar nicht auf die Uhr? Ich freue mich über eure Gedanken und Inspirationen!
Ja, da geb ich dir Recht, beim Nähen fehlt es von Nichtnähern völlig an der (zeitlichen) Wertschätzung! Ich hatte erst vor kurzem die „Anfrage“, ob ich einen Rock nähen könnte und ein paar Sätze später hieß es dann, „das könnte ich ja auch noch“ um zu beschreiben, dass der Rock nicht viele Details hat. Ich war wirklich vor den Kopf gestoßen und dachte mir nur, dann mach es doch auch selbst! Denn auch dieser einfache Rock hätte mich mit Stoff kaufen (Anfahrt etc.), waschen, bügeln, zuschneiden, nähen und anschließend nochmal bügeln sicher 10h gekostet.
Generell tracke ich meine Nähzeit nicht mit, aber ich weiß, dass ich insgesamt sehr lange brauche, da ich penibel bin und wirklich jeden Faden einzeln vernähe 😀 Nur bei einem Abendkleid habe ich Mal den gesamten Prozess dokumentiert und da waren es zum Schluss über 100h Arbeitszeit, angefangen von der Stoffsuche bis zum finalen Handstich.
Tipps zur Beschleunigung kann ich keine geben, da Zeitersparnis nie mein Ziel ist. Ich habe lieber weniger neue Stücke und dafür eine optimierte Passform (wenn notwendig auch mit mehreren Nesselteilen). Gleichzeitig mag ich aber keinen Schnitt mehrfach nähen. Ich bin also die langsamste Näherin aller Zeiten 🙂
Grüße, Tina
Hallo Tina, ich finde es immer sehr spannend zu hören, wie lang andere zum Nähen brauchen und vor allem auch, ob Zeit eine Rolle spielt. Ich denke, bei mir wird sich die Frage nach der Zeit auch nochmal sehr ändern, wenn ich irgendwann weniger für mein Kind nähen sollte. Dann bleibt bestimmt auch mehr Raum für solche tollen Projekte wie dein Abendkleid. Langsam nähen hat auf jeden Fall auch Vorteile und kann sehr entspannend sein.
Liebe Grüße,
Sabrina