Ein Jahr Nähblog – ein Fazit fürs Nähen statt Kaufen

Ein Jahr lang nähen statt kaufen, das hatte ich mir vorgenommen, als ich mit meinem Nähblog an den Start gegangen bin. Unglaublich! Das Jahr ist um und ich habe wirklich durchgehalten! Das shoppingfreie Jahr hatte ich mir schon als Herausforderung vorgestellt, aber dann kam auch noch Corona – und hier in Spanien damit der Supergau, aber das erzähle ich euch alles schön der Reihe nach…

Warum nähen statt kaufen?

Falls ihr meinen Blog noch nicht von Anfang an verfolgt, hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung. Mein „Nähen statt Kaufen“-Projekt hat ganz viele verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass ich selbst noch nie ein Shoppingfan war. Ich mag schöne Kleidung – keine Frage. Aber Kleidung kaufen hasse ich abgrundtief. Wirklich! Vielleicht bin ich als übertriebener Perfektionist auf die Welt gekommen, aber meistens ist das, was mir WIRKLICH gefällt, einfach nicht zu haben. Der falsche Stoff, aber ein schönes Design; ein wunderschöner Stoff, aber ein öder Schnitt; perfekt in der Länge, an der Taille zu weit; an der Taille perfekt, am Po kneifts – und dann noch der (hüstel) wirklich unglaublich vorteilhafte Blick in den Spiegel der Umkleidekabine. Gnadenlos. Jedes Fettpölsterchen, jede Falte und jeder Cellulite-Hügel kommt da ganz wunderbar zur Geltung. Na ja, ich glaube, es wird klar – mit Glamour haben Shopping-Touren für mich noch nie viel zu tun gehabt. Daher fiel es mir persönlich leicht, mich für das shoppingfreie Jahr zu entscheiden.

Doch nicht nur für mich selbst habe ich das Kaufen von Kleidung oft als stressig empfunden. Auch mein Kind hat häufig unter der Modeindustrie gelitten. Als großer, schlanker Junge hat es oft an Länge gefehlt, in der Breite hätte er dafür zweimal reingepasst. Hinzu kommt, dass die Modeabteilungen zunehmend in sehr krassem Gegensatz zu unserer Lebens- und Erziehungsphilosophie standen. Mehr dazu könnt ihr in meinem Artikel zu Geschlechterrollen nachlesen.

Ein dritter Grund für unser shoppingfreies Jahr war, dass ich ganz einfach der Fast Fashion etwas entgegensetzen wollte. Natürlich kaufe ich Stoffe und bin damit nicht frei von der Modeindustrie. Aber ich nähe Kleidung, die mir und meinem Kind wirklich passt, die wir gern tragen und die deshalb nicht nach kurzer Zeit in der Altkleidersammlung landet. Was zu kurz oder zu klein wird, können wir meistens noch zu etwas anderem weiterverarbeiten und so kommt ein Kleidungsstück wirklich erst in den Müll, wenn auch das letzte Zipfelchen Stoff sich wirklich nicht mehr weiterverarbeiten lässt. Mehr hier zu könnt ihr im allerersten Artikel auf meinem Nähblog nachlesen.

Nun aber zu meinem Fazit…

Ein Jahr Nähblog – gab es Ausnahmen?

Um ehrlich zu sein, hat das Corona-Jahr alles auf den Kopf gestellt. Hier in Barcelona haben die Kinder seit sechs Monaten keine Schule – das ist mit Full-Time-Job eine echte Herausforderung und das Nähen ist natürlich viel zu kurz geraten. Unsere Liste mit geplanten Nähprojekten ist ellenlang. Trotzdem haben wir es geschafft zu nähen, was wir wirklich brauchten und wir haben tatsächlich mit einer einzigen Ausnahme nichts gekauft. Leider musste ich feststellen, dass meine einfache Nähmaschine bei ganz dicken Stoffen in Kombination mit mehreren Lagen irgendwann streikt, daher habe ich beschlossen, die nächste Winterjacke für mein Kind doch zu kaufen. Bei dieser Ausnahme habe ich allerdings überhaupt kein schlechtes Gewissen, schließlich soll mein Maschinchen noch viele Nähprojekte mitmachen.

Was ich nach diesem Jahr als absolut positiv betrachte ist, dass ich feststellen konnte, dass es tatsächlich auch mit Kind möglich ist, sich der Modeindustrie zu entziehen. Für mich persönlich hatte ich das nicht in Frage gestellt, ich brauche ohnehin nicht viel Kleidung. Ob mir das mit Kind gelingen würde, war schon fragwürdiger. Besonders schön finde ich, dass auch mein Kind sehr stolz auf seine selbstgenähten Sachen und sehr selbstbewusst in Sachen Stoff- und Farbwahl geworden ist.

Allerdings habe ich auch gemerkt, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob man das Nähen als reines Spaß-an-der-Freude-Hobby betrachtet und wirklich nur näht, was einem gefällt, oder ob man wirklich alles selbst näht. Dann bleibt gerade mit Kind nämlich oft nur wenig Zeit für hübsche Kleider, Tops und Co. Ich bin viel öfter mit coolen Jungshosen, Shirts und Boxershorts beschäftigt. Umso mehr freue ich mich aber, wenn ich die strahlenden Augen meines Jungen sehe, wenn er eine neue Ausstattung in Empfang nimmt, wie zum Beispiel diese Shirt zum Schulanfang.

Shirt für Jungen mit Wal

Gibt es auch Nachteile?

Definitiv muss man sich gut überlegen, ob man sich den Stress antut. Ich persönlich habe ja nicht nur den Nähblog und das Nähen als Hobby, sondern einen Job. Daher kann das Nähen nebenher schon stressig werden. Was hilft, ist einfach eine Liste parat zu haben, auf der man das nächste Nähprojekt mit Materialbedarf notiert. Wer Kinder hat, dem hilft eine Aufstellung darüber, was sie in welcher Jahreszeit benötigen. Viel Zeit spart man beim Bündeln – mehrere Projekte zeitgleich zuschneiden, versäubern nähen. Und es hilft, bei „Gebrauchskleidung“ immer wieder auf bewährte Schnittmuster zurückzugreifen.

Dem Chaos Herr werden

Ein weiterer Nachteil ist, dass das Nähen ein Hobby mit Platzbedarf ist. Unsere Wohnung ist zum Beispiel klein und im Gegensatz zu vielen anderen habe ich kein eigenes Nähzimmer. Regelmäßig verwandelt sich also der Küchentisch in ein Nähatelier mit Nähmaschine, Overlock und Co. Um alles wieder zu verstauen, braucht man schon etwas Organisationstalent und geduldige Familienmitglieder 😉

Nähen spart kein Geld

Selber nähen ist nicht unbedingt preiswerter als kaufen. Vor allem große Modehäuser können die Kleidung viel billiger produzieren als man selbst, wenn man ganz ehrlich Stoffpreise, Accessoires, Zeitbedarf etc. durchkalkuliert. In diesem Artikel zum Sparen durchs Nähen habe ich bereits ausführlich darüber geschrieben.

Natürlich gibt es Wege, durch das Nähen zu sparen, beispielsweise, indem man auch kleinste Stoffreste verwendet, getragen Kleidung nochmal upcycled etc. Ob sich das für dich persönlich lohnt, musst du aber ganz für dich entscheiden.

Ich selbst stelle mir die Frage danach, ob sich das Nähen in Sachen Geld lohnt oder nicht aus mehreren Gründen gar nicht erst. Zum einen nähen wir uns maßgeschneiderte Kleidung, die mit Kleidung aus dem Store gar nicht vergleichbar ist. Zum anderen legen wir (nicht immer, aber so häufig wie möglich) auf nachhaltige Stoffe und Stoffe, die unter fairen Bedingungen produziert werden, Wert.

Wie sieht die Zukunft auf dem Nähblog aus?

Auf meinem Nähblog nehme ich auch auch weiterhin mit durch unser Nähen-statt-kaufen-Projekt. Da bei jedem Projekt Stoffrest anfallen, wird es auch weiterhin viele Ideen zum Nähen aus Stoffresten geben. Mir haben es dabei besonders das Jeans-Upcycling und Patchworking angetan. Ich bin gespannt, was dabei in Zukunft noch alles entstehen wird.

ein Jahr Nähblog

Ein großer Wunsch von mir ist, nicht nur mich selbst und mein Kind mit selbstgenähten Klamotten auszustatten, sondern auch den Mann im Hause. Leider ist es gar nicht so einfach für Männer zu nähen und passende Schnittmuster zu finden. Aber bisher haben wir schon so viele Herausforderungen gemeistert, dass ich mich bestimmt auch noch daran wage.

Ich freue mich, dass ihr mich und meinen Nähblog durch unser erstes Jahr begleitet habt und hoffe, ihr bleibt auch weiterhin dabei und findet bei uns schöne Anregungen und Tipps zum Nähen!

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